1. Vor- und Nachteile des Fremdwörtergebrauchs für Kommunikation und Sprache
a) Situationsangemessener Gebrauch von Fremdwörtern
Bevor man darüber urteilen kann, ob die Verwendung von Fremdwörtern in bestimmten Situationen sinnvoll erscheint, müssen die Motive des Sprechers untersucht und mit der Wirkung auf den Zuhörer verglichen werden. Zudem weisen Fremdwörter verschiedener Herkunft ein breites Spektrum möglicher unterschiedlicher Wirkungen auf (siehe III. 1. b).
Nach Rößling existieren nur zwei Situationen, in denen der Gebrauch von Fremdwörtern angebracht ist:
1. Der deutsche Ausdruck ist zu ungenau, d.h. der
gedankliche Inhalt des Fremdwortes stimmt bei genauer Bestimmung nicht
mit dem Inhalt des entsprechenden deutschen Wortes überein.
2. Die deutsche Übersetzung ist zu umständlich,
d.h. nur durch einen oder mehrere Sätze möglich.
Hier setzt der Sprecher solche Fremdwörter ein, für die es im Deutschen keine (oder nur eine umständliche) Entsprechung gibt. Dabei dominieren griechische bzw. lateinische Fremdwörter. Sie sind bereits lange fest etabliert und verhinderten damit das Aufkommen eines adäquaten deutschen Wortes. Die alten Fremdwörter kommen derart häufig im standardsprachlichen Zusammenhang vor, daß wir sie nicht mehr als Fremdwörter empfinden. Viele solcher Wörter haben Teile oder Arten der Kommunikation selbst zum Gegenstand (Thema, Argument, Diskussion), andere bezeichnen zwischenmenschliche Gefühlszustände (Sympathie, Antipathie, Empathie). Der Sprecher gehorcht dem ökonomischen Prinzip der Sprache, teilt seine Gedanken also kurz und gleichzeitig genau mit.
Fachsprachen gehorchen dem gleichen Prinzip. Sie
bedienen sich deutscher Begriffe oder Fremdwörtern, deren Bedeutung
im fachsprachlichen Kontext eingeengt wird oder verwenden eigene Termini
in Form von Akronymen, Abkürzungen oder Wortschöpfungen (siehe
II.).
Der Zuhörer muß im Falle verwendeter
Fachsprache selbst Kenntnis von dieser besitzen, um den Vorteil der kurzen
Ausdrucksweise nutzen zu können. Andernfalls reagiert er mit Unverständnis,
und der Sprecher verliert den Vorteil der Kürzung, weil er lange standardsprachliche
Erklärungen als metakommunikativen Akt liefern muß. Wenn der
Sprecher weiß, ob und wie tief die fachsprachlichen Kenntnisse seines
Zuhörers sind, sollte er von ihr Gebrauch machen, da sich neben der
Kürze noch der Vorteil der unmißverständlichen Vermittlung
der Information einstellt.
Besitzt der Zuhörer keine oder nur unzureichende Kenntnis der jeweiligen Fachsprache, so hat der Sprecher zu entscheiden, ob sich der Aufwand lohnt, fachsprachliche Begriffe einzuführen oder nicht. Werden diese in einer längeren Rede oder im Rahmen einer Schulung häufiger verwendet, kann die Einführung der Termini sogar neben der eigentlichen Information ein gewolltes Lernziel darstellen, zumal es die Fachsprache dem Zuhörer seinerseits erst ermöglicht, an dem Gespräch teilzuhaben.
"Anders hingegen ist es mit jenen Fremdwörtern,
die sich treffend und kurz übersetzen lassen (Beispiele: Chance =
Gelegenheit, Quantität = Menge, Faktura = Rechnung). Fremdwörter
dieser Art sind zu vermeiden, weil sie langsamer verstanden und zudem auch
noch oft ungenau übersetzt werden."
Stammen die Fremdwörter also aus dem Bereich
der vermeintlich gehobenen Standardsprache, sollten diese nur dann eingesetzt
werden, wenn sie dem Zuhörer bereits bekannt sind oder er sich die
Bedeutung aus dem Kontext erschließen kann. Generell gilt: Vermeidbare
Fremdwörter sollten im Zweifelsfall weggelassen werden, um das Verständnis
der Rede nicht zu gefährden und den Zuhörer nicht vom eigentlichen
Inhalt abzulenken.
"Mit besonderer Sprachzucht sollte man den Gebrauch
solcher Fremdwörter zu vermeiden suchen, die nur aus Bequemlichkeitsgründen
angewendet werden!"
Rößling versteht darunter vornehmlich
oberbegriffliche Fremdwörter, wie Interesse, Apparat, Faktor, Artikel,
Phänomen, positiv, negativ u.ä. Aus Bequemlichkeit verwendet
der Sprecher einen Sammelbegriff, der lediglich die grobe semantische Richtung
anzeigt, nicht jedoch den individuellen Zusammenhang berücksichtigt.
Je nach Kontext sollte man statt von einem Sektor genauer von Berufsbereichen,
Tätigkeiten,
Gebieten
oder Leben sprechen. Ich denke, daß man in solchen Fällen
abwägen sollte, ob der genaue Ausdruck wirklich nötig ist und
nicht zu weit vom eigentlichen Inhalt wegführt. Oberbegriffliche Fremdwörter
lassen sich auch dazu gebrauchen, dem Zuhörer anzuzeigen, daß
ein genaues Determinieren eines Aspektes in bezug auf das Thema keine entscheidende
Rolle spielt: "Eine herausragende Position besitzt die Buchhaltung innerhalb
der Sektoren eines Unternehmens". Bei der weiteren Betrachtung der Buchhaltung
sind die anderen Segmente des Unternehmens absolut zweitrangig; seien es
nun Teilbereiche, Abteilungen oder Kostenstellen.
"Scharf abzulehnen ist der Gebrauch von Fremdwörtern
schließlich, wenn Bildungsdünkel oder Modesucht im Spiele sind!"
In diesem Fall entfernt sich der Sprecher am weitesten
vom Prinzip der Sprachökonomie. Er setzt Fremdwörter nicht aus
inhaltlichen, sondern aus vermeintlich ästhetischen Aspekten ein.
Er versucht, durch ihren übermäßigen, überflüssigen
Einsatz, seiner Sprache einen gesteigerten wissenschaftlichen Anspruch
zu verleihen oder möchte ihr den Klang des gerade aktuellen Zeitgeistes
geben. Darunter fällt die momentane Vorliebe für Anglizismen
(siehe I.1.), leicht dadurch zu entlarven,
daß diese mühevoll anstelle absolut gleichbedeutender, gleichwertiger
und gängiger deutscher Begriffe eingesetzt werden. Für die Erstellung
solcher Texte, die mittels Fremdwörtern einen erhöhten akademischen
Anspruch bei gleichzeitiger Abgrenzung vom ungebildeten Zuhörer erzielen
wollen, formuliert Rößling ein "Kochrezept":
"Man nehme – eine stattliche Reihe gut klingender
und zugleich hoch im modischen Kurs stehender Fremdwörter, gebe knapp
die gleiche Anzahl deutscher Wörter hinzu – so daß ihr Anteil
also nicht mehr als die Hälfte des gesamten Wortbestandes ausmacht
– und reihe in bunter Mischung die einzelnen Begriffe so aneinander, daß
ein konkretes Verstehen des Textes nicht befürchtet zu werden braucht."
Die Absicht des Sprechers, der Texte nach solchem
Muster formuliert, liegt darin, den wenig wissenschaftlichen Inhalt seiner
Worte zu verdecken, vor allem aber, vom Zuhörer bewundert zu werden.
Freilich sollte der Sprecher darauf achten, nur zu Menschen zu sprechen,
die ihm sprachlich und fachlich unterlegen sind. Nur dann ist sichergestellt,
daß der banale Inhalt der Rede nicht zu Tage tritt.
Ähnlich ironisch geht Herbert Hertramph mit der Fremdwörterproblematik um. Dabei besitzt die Rede, die ein Mann bei der Werbung um eine Frau einsetzt, eine herausragende Rolle:
"Machen Sie mehr aus Ihrem Typ! ... und zwar mit
Fremdwörtern!
Untersuchungen zeigen, daß das Bildungsniveau
bei Frauen in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen ist. Und da sollten
Sie Schritt halten. Also nicht einfach: "Wolle me e Bier drinke, moi Schneckle?"
Ts, ts, ts - glauben Sie im Ernst, eine Studentin der Germanistik könnten
Sie damit beeindrucken? Oder eine Fachärztin? Oder eine Psychologin
mit Schwerpunkt Verhaltenspsychologie? Nein - Ihre Briefe, Einladungen,
Grüße müssen völlig anders aussehen." Hertramph bietet
auf seiner Homepage sogar gratis eine Art Thesaurus an, der innerhalb einer
Textverarbeitung synonyme Fremdwörter für deutsche Begriffe finden
kann.
Generell ist der Gebrauch von Fremdwörtern genauso zu bewerten, wie der Einsatz einer Fachsprache. Wenn Fremdwörter dem genauen Ausdruck dienen und diese dabei auch noch den Ausdruck selbst verkürzen, ohne daß sich dabei Verständnisschwierigkeiten beim Zuhörer einstellen, ist gegen den Fremdwörtereinsatz nichts einzuwenden. Der Sprecher hat dabei stets die langsamere Decodierung des Fremdwortes gegenüber einer deutschsprachigen Bezeichnung zu berücksichtigen. Deshalb gilt für den Fremdwörtergebrauch innerhalb der Standardsprache:
Der Einsatz von Fremdwörtern kann nur dann sinnvoll
sein, wenn der Betrag der eingesparten Zeit durch Verwendung von Fremdwörtern
gegenüber komplexeren deutschen Begriffen größer ist, als
der Betrag der verlorenen Zeit für den verlängerten Decodiervorgang
beim Zuhörer.
Dabei wird vorausgesetzt, daß dem Zuhörer
die gebrauchten Fremdwörter bekannt sind. Schließlich ist davon
auszugehen, daß die Gefahr, falsch oder gar nicht verstanden zu werden,
mit weiter gesteigertem Einsatz der Fremdwörter überproportional
ansteigen dürfte. Anstatt dem weiteren Text folgen zu können,
"bleibt" der Zuhörer an unverstandenen Fremdwörtern "hängen",
versucht sie sich aus dem Kontext zu erschließen. Weist der anschließende
Text weitere unbekannte Fremdwörter auf, kann der Zuhörer den
Gedankengang des Sprechers bald gar nicht mehr nachvollziehen.
In der Standardsprache sollte also weitestgehend
auf Fremdwörter verzichtet werden, es sei denn, alle Gesprächsteilnehmer
besitzen ein ähnliches, insgesamt hohes Niveau bezüglich ihrer
Fremdwörterkenntnisse. Der Sprecher muß stets die Reaktionen
seiner Zuhörer genau beobachten und bei dem Verdacht, sich unverständlich
auszudrücken, den Anteil der Fremdwörter weiter reduzieren.
Handelt es sich nicht um ein allgemeines, sondern
um ein fachsprachliches Gespräch, leisten Fremdwörter – sofern
hier in der Funktion von Termini verwendet – einen wesentlich größeren
Beitrag zur Verkürzung der Rede bei gleichzeitig immanenter Steigerung
der Präzision des Gesagten. Zudem kann das Verständnis der Termini
beim fachsprachlich gebildeten Zuhörer vorausgesetzt werden. Andere
Fremdwörter, die in der jeweiligen Fachsprache keine Bedeutung tragen,
sondern zur vermeintlich gehobenen Standardsprache gehören, sind innerhalb
einer fachsprachlichen Rede nicht besser zu bewerten als in jeder standardsprachlichen
Unterhaltung.
Dem gegenüber ist es möglich und sinnvoll, einen bislang unbekannten Terminus dadurch einzuführen, indem man ihn in einen leicht verständlich formulierten Kontext einbettet. Der Zuhörer hat nun die Leistung zu erbringen, sich die Bedeutung des Terminus selbst zu erschließen. Gelingt ihm das, weil ihm der Sprecher zum einen genug Zeit läßt, zum anderen den Kontext bewußt einfach formuliert, unter Umständen sogar mit bereits bekannten partiellen Synonymen arbeitet, kann er darauf hoffen, einen fest einprägenden Merkeffekt beim Zuhörer erzielt zu haben.
b) Anmerkungen zu Rhetorik und Diktion
Während der Leser eines Buches unbekannte Begriffe nachschlagen und die Geschwindigkeit der vermittelten Information durch sein individuelles Lesetempo selbst bestimmen kann, liegt die Verantwortung für das Gelingen der mündlichen Informationsvermittlung allein beim Redner. Die Bedeutung der Rhetorik (= Redekunst) war bereits in der griechischen Antike bekannt und wurde dementsprechend als Kunst gelehrt. Der Rhetor setzt sie im Gegensatz zur Stilistik grundsätzlich nicht zur Verzierung, sondern zum Erlangen einer Absicht, also zweckgebunden ein. "Die Rhetorik erstrebt die mündliche Gestaltung eines Stoffes, um die Hörer zu informieren oder zu überzeugen. Während ein Sachvortrag ein Thema zu klären, d.h. zu belehren versucht, will die Rede Meinungswandel oder Handlungen auslösen."
Damit der Rhetor sein jeweiliges Ziel erreichen konnte, gehorchten die Planung, Vorbereitung und Durchführung der antiken Rede einer festen Abfolge von Arbeitsschritten: Memoria (Aneignung), Inventio (Stoffsammlung), Dispositio (Gliederung), Elocutio (stilistische Ausgestaltung) und Actio (Vortrag). Eine derart detaillierte Vorgehensweise war erforderlich, weil die Reden der Antike schriftlich festgehalten, dann vorgelesen und schließlich jedermann als Schriftstück zugänglich waren.
Heute wird die Vorbereitung einer Rede aber davon bestimmt, daß sie sich an Zuhörer und nicht an Leser richtet. Diese Tatsache hat erheblichen Einfluß auf Stil und Diktion (=Ausdrucksweise). Eine solche Rede verlangt nach einer periodischen Zusammenfassung einzelner Sinnabschnitte und muß in "[...] Satzbau, Wortwahl und Gedankengang der Aufnahmefähigkeit der Hörer angepaßt sein." Die von Stephan Gora aufgestellten fünf Grundregeln der Rhetorik enthalten Richtlinien, die unter anderem die Diktion und damit auch die Verwendung von Fremdwörtern und Fachsprache in der mündlichen Verständigung betreffen:
1. Sprich nur so sachorientiert wie nötig. Bereite dich inhaltlich und argumentativ gut vor. Sprich zielgerichtet und mit klarer Gliederung. Bringe die Sache auf den für den Zuhörer wichtigen Punkt.
2. Sprich verständlich. Vereinfache komplizierte Sachverhalte. Überprüfe Fremdwörter, Fachbegriffe, Zahlenmaterial. Orientiere dich am Stil der gepflegten gesprochenen Sprache. Sprich deutlich und nicht zu schnell. Mache Sprechpausen (= Mitdenkpausen).
3. Sprich möglichst frei. Lies auf keinen Fall stur vom Blatt ab. Wähle eine Spickzettelmethode, die es dir erlaubt, so frei wie möglich und so sicher wie nötig zu sprechen. Halte Blickkontakt, und achte auf das Feedback der Zuhörer.
4. Bedenke, daß auch dein Körper spricht. Laß Mimik und Gestik sich natürlich entfalten. Sei glaubwürdig in Ausdruck und Auftreten. Öffne dich den Zuhörern, gehe auf sie zu.
5. Sprich möglichst du-orientiert. Gehe von den Voraussetzungen und Erwartungen des Zuhörers aus. Vermeide es, ihn zu (unter- oder) überfordern. Sprich nicht länger, als der Zuhörer dir zu folgen vermag. Wecke sein Interesse, und führe ihn zum Thema hin.
Bereits der erste Punkt enthält die Forderung, nur ein erforderliches Mindestmaß an Fachsprache anzuwenden und damit in der Wortwahl unabhängig von der Sache zu bleiben. Die in Punkt zwei geforderte Sorgfalt bei der Wahl von Fremdwörtern und Fachbegriffen begründet Gora mit der Tatsache, daß solche Wörter die Verständlichkeit der Rede selbst und die des zu vermittelnden Sachverhaltes negativ beeinflussen können; insbesondere dann, wenn es sich um vermeidbare oder sogar überflüssige Fremdwörter handelt.
Der Beziehung zwischen Redner, Zuhörer und Thema soll der Redner durch eine Ausrichtung seiner Rede auf den Zuhörer in bezug auf dessen Erwartung und Voraussetzung sicherstellen, wie im fünften Punkt beschrieben. Bei komplexen Inhalten ermöglichen die im zweiten Punkt gewünschten Sprechpausen dem Zuhörer, über das gerade Gehörte nachzudenken, die neuen Informationen "sacken" zu lassen. Der Zuhörer bestimmt also die verwendete Sprache der Rede, nicht Thema Referent!
Läßt man die eventuell auftretenden Verständnisschwierigkeiten bei der Verwendung von Fremdwörtern und Termini einmal außer Acht, so machen sich angloamerikanische Fremdwörter in der gesprochenen Sprache vor allem durch ihren vom Deutschen abweichenden, ungewohnten oder gar exotischen Klang bemerkbar. Das Ungewohnte ruft zunächst Aufmerksamkeit beim Zuhörer hervor.
In jedem Fall bewirken Anglizismen eine Stilfärbung,
also eine Veränderung der Gestalt und Wirkung eines Textes ohne Änderung
des Sinnes der Aussage. Offensichtlich verspricht sich der Redner, der
Anglizismen bewußt einsetzt, nichts von deren denotativer
Bedeutung, also dem eigentlichen begrifflichen Inhalt, welcher von einem
deutschen Begriff identisch transportiert werden würde.
Vielmehr geht es ihm um die konnotative Bedeutung
des Anglizismus, also den Nebensinn, den dieser innerhalb eines deutschen
Textes besitzt. Bohmann unterscheidet für Anglizismen fünf Konnotationen:
1. "Lokalkolorit". Das Wort provoziert Assoziationen zu Eigenschaften des Herkunftslandes, etwa zu britischem Traditionsbewußtsein oder dem amerikanischen "Way of Life".
2. "Semantisch-stilistische Aufwertung". Das Fremdwort wirkt hochwertiger als seine deutsche Entsprechung und scheint genauer zu sein. (Manager statt Fachbereichsleiter).
3. "Sprachökonomie". Viele englische Ausdrücke sind der Silbenzahl nach kürzer als deutsche (fit gegenüber "in bester Verfassung", Chips gegenüber "geröstete Kartoffelscheiben").
4. "Präzision". Es existieren keine, zu lange oder undeutliche Entsprechungen (vgl. Hardware, Software).
5. "Ausdrucksvariation". Sie dient der Vermeidung unnötiger Wortwiederholungen. Englisch bietet sich an, zumal es die den Deutschen am besten geläufige Fremdsprache ist (Event im Ersatz für Ereignis).
Meistens besitzen Anglizismen kontextbezogen mehrere konnotative Bedeutungen zugleich. Lokalkolorit und die (oft nur vermeintliche) semantisch-stilistische Aufwertung sind die von der Werbung bevorzugten Konnotationen. Die Standardsprache wird durch sie besonders beeinflußt. Eine rein semantische Aufwertung durch Anglizismen ist nach meiner Meinung nur in Verbindung mit der Konnotation "Präzision" möglich. Ein Anglizismus kann bei gleichwertiger deutscher Entsprechung nicht semantisch aufwerten, da hier auf denotativer Ebene ein Fall totaler Synonymie vorliegt. Die Punkte drei und fünf ("Sprachökonomie" und "Ausdrucksvariation") bergen die größte Gefahr des unangebrachten Gebrauchs angloamerikanischer Fremdwörter. Wörter, wie fit und cool besitzen im Deutschen keine klar benennbare denotative Bedeutung und weisen einen mit den oberbegrifflichen Fremdwörtern vergleichbaren Charakter auf. Ihr Einsatz sollte deshalb auf Situationen beschränkt bleiben, in denen eine exakte Informationsvermittlung keine Rolle spielt.
Die zunehmende Bedeutung des Internets habe ich bereits
im ersten Kapitel der Arbeit erläutert. Daraus ergibt sich in logischer
Konsequenz, daß die Schule Jugendlichen den Umgang mit dem WWW und
alle dazu erforderlichen Fertigkeiten vermitteln muß.
Allerdings erwähnt der aktuelle Lehrplan Schleswig-Holsteins
für die Sekundarstufe I, der die Informatik nicht einmal als Teildisziplin
der Mathematik aufführt, das Internet mit keinem Wort. Er nimmt aber
unter anderem Bezug auf die Kommunikationstechnologien und deren Einsatz
im Deutschunterricht. Informations- und Kommunikationstechnologien werden
als "Aufgabenfeld von allgemeiner pädagogischer Bedeutung" betrachtet.
Durch den Punkt "Medien/ Kommunikation/ Information: Massenmedien und ihre
Organisation, Informationstechnische Grundbildung durch Kontexte" soll
das Fach Deutsch seinen Beitrag zur Grundbildung der Schüler leisten.
Unter "Interaktion" aus Sicht der Schüler zum Erlangen "Sprach- und
kommunikativer Basisfähigkeiten" wird hingegen nur der Einsatz von
Kommunikationstechniken im Sinne von "Rekorder" und "Tageslichtprojektor"
verstanden.
Der Lehrplan verkennt eindeutig den besonderen Stellenwert des Internets als die Möglichkeit der Gegenwart und Zukunft, sich aktuelle Informationen aller Art auf einfachste Weise zu beschaffen. In einer Begleitschrift zum Lehrplan weist das IPTS lediglich darauf hin, daß man im Fach WIPO "die Bedeutung der Computertechnologie für die Berufsausbildung" diskutieren, Kunst sich dem Feld "Computeranimation" widmen und Mathematik "den Umgang mit dem Computer" lehren kann.
Es ist schon eine gehörige Portion Ignoranz
und Weltfremdheit erforderlich, um die Technologie, die unsere Welt und
damit unser Leben völlig verändern wird, nicht einmal beim Namen
zu nennen. Kommunikationstechnologie bleibt ein Phänomen – eine Black
Box, die nur in Hinblick auf ihre soziale Auswirkung untersucht werden
soll, so wie eben alle anderen Massenmedien auch.
Notgedrungen bleibt es dem persönlichen Engagement
der Lehrkraft überlassen, ob und in wie weit sie bereit ist, die Funktionsweise
der Neuen Medien bzw. deren sinnvollen Einsatz, gerade in Kombination mit
den konventionellen Medien, zu thematisieren. Vielleicht liegt das an Berührungsängsten
mit dem Computer – vielleicht aber auch nur an einer gewissen Hartnäckigkeit,
sich Neuem generell nicht öffnen zu wollen – und sei es auch noch
so bedeutsam.
Ich erlebte in meiner eigenen Schulzeit das Fach
Informatik in der letzten Klasse der Oberstufe im Jahre 1991. Dabei handelte
es sich um einen freiwilligen Kurs über zwei Halbjahre, der als Ersatz
für einen anderen Grundkurs in die Gesamtnote des Abiturs eingebracht
werden konnte. Als Folge besuchten nur solche Schüler den Kurs, die
ohnehin auf dem Gebiet der Computer über eine große Vorbildung
verfügten, ja sogar in ihrem Kenntnisstand dem reichlich überforderten
Mathematiklehrer haushoch überlegen waren.
Das Internet war in dieser Zeit noch kein Thema,
wohl aber die klassischen Anwendungen des Computers, also Textverarbeitung,
Kalkulation, Präsentation und Datenbanken. Inhaltlich ging es in dem
Kurs allerdings nicht um die Bedienung der für das spätere Berufsleben
so wichtigen Büro-Anwendungen, sondern um das Erlernen der Hochsprachen
Comal und Pascal, nachdem ein "akademischer Unterbau" durch das Auswendiglernen
vollkommen irrelevanter Hardware-Details geschaffen worden war. Comal hatte
als Computersprache außerhalb der Schule nie eine Bedeutung, und
Pascal wurde bereits damals durch leistungsfähigere Sprachen, wie
Modula2
oder C in wenige Nischen wissenschaftlicher Simulationen verbannt.
Solch ein Informatikunterricht bereitet Schüler
nicht auf das Leben vor, sondern liefert nicht verwertbare Fragmente des
Studiums der Informatik, das selbst seit vielen Jahren in der Kritik steht,
seine Studierenden an den Interessen der Wirtschaft vorbei auszubilden.
An dem Informatikunterricht öffentlicher Gymnasien hat sich seitdem nicht viel verändert. So berichtet mir meine Schwester, die gerade den dreizehnten Jahrgang desselben Gymnasiums besucht, daß sich die Lehrkräfte (nur Mathematiker) zwar redlich bemühen, ihre spärlichen Kenntnisse in der Textverarbeitung an die in dieser Disziplin nicht selten unterforderten Schüler weiterzugeben. Das Internet und dessen praktischer Nutzen bleiben aber weiterhin dem vorbehalten, der dessen Qualitäten selbständig erkennt und sich das erforderliche Wissen privat aneignet.
Aus den genannten Gründen leite ich drei Forderungen ab, die ich als Grundvoraussetzung für das Funktionieren eines modernen, praxisorientierten Informatikunterrichts ansehe:
1. Informatik muß ein Pflicht-Grundkurs an Gymnasien bzw. ein Pflichtfach an den anderen Schularten werden! Nur so kann es gelingen, die Möglichkeiten der Neuen Medien auch den Schülern zugänglich zu machen, die noch keine Erfahrung mit dem Computer oder diesbezüglich sogar Hemmungen haben. In der späteren Berufspraxis wird der routinierte Umgang mit dem Computer ohnehin vorausgesetzt.
2. Büroanwendungen und Internet müssen die zentralen Inhalte des Informatikunterrichts der Schule sein! Schließlich sind sie in der beruflichen Praxis und für das Privatleben die entscheidenden Anwendungsgebiete des Computers.
3. Jeder Lehrer soll über einen "Internet-Führerschein" die Lehrbefähigung für das Fach Informatik bekommen! Dies entspricht der gegenwärtigen Beschäftigungsstruktur rund um das Internet. Quereinsteiger, also Menschen fremder Branchen, die sich durch Eigeninitiative die nötigen Kenntnisse angeeignet haben, bestimmen die Klientel, die zur Zeit das Internet maßgeblich gestaltet; spezielle (Fach-) Hochschulstudiengänge existieren bislang nicht. Absolvierte Studien der Informatik oder Mathematik sind für die Lehre der Nutzung von Internet und Büro-Anwendungen nicht erforderlich.
Der Schulpädagoge Werner Sacher hat sich eingehend
mit der Bedeutung des Internets für den Unterricht beschäftigt.
Seiner Meinung nach ist das Internet "[...] ganz offensichtlich kein Lehr-
sondern nur ein Informations- und Lernmedium". Folglich entsteht ein Bedarf
an Lehrmitteln und anderen Unterrichtsmaterialien zum Thema Internet, wenn
dieses aus sich selbst heraus kein für die Schule geeignetes Lehrmedium
ist. Und selbst, wenn es das wäre – erste interaktive Lehrseiten sind
bereits zu finden – müßte der Umgang mit lehrenden Seiten ebenfalls
trainiert werden.
Folglich stellt für den Informatikunterricht
an allgemeinbildenden Schulen gerade aber das Fehlen geeigneter Lehrmittel
ein zentrales Problem dar. Hier ist der Lehrer selbst gefragt. Er muß
auf eigene Faust anschauliches Material aus Zeitschriften und Broschüren
sammeln, Aufgabenstellungen und Arbeitsbögen entwickeln und sich Möglichkeiten
der Leistungskontrolle überlegen.
Diese Tatsache wirkt abschreckend; die Lehrkraft
könnte dazu geneigt sein, doch den konservativen Informatikunterricht
zu geben; denn dann kann sie auf jahrzehntelang erprobte Programme und
Aufgaben zurückgreifen. Freilich muß sich ein Lehrer die Fragen
nach dem Sinn und praktischem Nutzen gefallen lassen, die er in den Aufgaben
sieht, unter Comal das tausendste Spinnennetz oder unter Pascal
ein wenig originelles Zahlenratespiel programmieren zu lassen.
Entscheidet sich ein Lehrer dafür, seinen Schülern
die Fertigkeiten zu vermitteln, die sie für eine Internetrecherche
oder die Büro-Anwendungen brauchen, wird er beim Zusammensuchen des
Unterrichtsmaterials auf weitere Hindernisse treffen.
Der Grad der allgemeinen Verständlichkeit unterscheidet
die Fachzeitschriften erheblich. Computer-Bild ist die einzige deutsche
Zeitschrift, die sich an den absoluten Laien richtet. Sie erklärt
die Bedienung eines Browsers anhand konkreter Beispiele, wie dem Einrichten
der Bookmarks (= Lesezeichen). Sammelt der Lehrer die praktischen
Tips dieser Zeitschrift, so kann er in Anlehnung daran eine kleine Fibel
für den ersten Kontakt mit dem Internet erstellen, wird aber bald
die Grenzen der Artikel bemerken; schnell werden die Schüler mit ihren
Fragen den Rahmen des Gebotenen der Computer-Bild sprengen.
Die PC-Welt richtet sich mit ihren Beiträgen
klar an den vorgebildeten Leser – zwischen ihr und Computer-Bild
liegt eine breite Kluft, die momentan von keiner Computerzeitschrift geschlossen
wird. Allerdings ist das höhere Niveau der PC-Welt vielfach
nötig, wenn die Recherche im Internet an Anspruch gewinnt. Die Kenntnis
über Aktivierung und Sinn von Cookies, Javascript und
Virenscannern
ist für den Internet-Amateur als obligatorisch anzusehen.
Das obere Ende der Meßlatte markiert die c’t.
Sie enthält Informationen, die der User benötigt, der selbst
im Internet produktiv werden möchte. Vor- und Nachteile unterschiedlicher
Plattformen werden journalistisch anspruchsvoll und vergleichsweise neutral,
d.h. unabhängig vom Hersteller, diskutiert. Schade ist dabei, daß
die c’t als echte, spezialisierte Fachzeitschrift den gemeinen Anwender
hoffnungslos überfordert, denn sie behandelt als einzige höhere
Aspekte der EDV; ethische Fragen, die das Internet aufwirft, etwa die Thematik
rund um den "gläsernen" Anwender, dessen persönliche Daten nur
unzureichend geschützt werden, den Einfluß des Internets auf
die zwischenmenschliche Kommunikation oder die nicht kontrollierbare Beschaffung
von in Deutschland verschreibungspflichtigen oder gar verbotenen Medikamenten.
So unterschiedlich die Inhalte der Fachzeitschriften sind, so unterschiedlich ist auch die jeweils verwendete Sprache. Die Autoren der Computer-Bild legen Wert auf einfachsten Ausdruck und verwenden gleichzeitig sehr wenige Anglizismen. Umfangreiche Begriffserklärungen sind jedem Artikel beigefügt und graphisch hervorgehoben. Nicht immer gelingt der Spagat zwischen einfacher Erklärung und sachlicher Richtig- bzw. Vollständigkeit. So wird Shadow-Memory als "Schattenspeicher" bezeichnet, der englische Terminus fällt erst in der Erläuterung. "Schattenspeicher" ist nicht einmal ein Fachbegriff im weitesten Sinne und nützt der Verständlichkeit nichts. Manchmal behandelt die Zeitschrift zudem Themen, von denen der Anfänger lieber die Finger lassen sollte, weil das Risiko, den Rechner in einen nicht mehr bootfähigen Zustand zu bringen, im Vergleich zu relativ kleinen Vorteilen bezüglich der Leistung des Systems in keinem Verhältnis steht. Darunter fallen besonders Manipulationen im BIOS des Computers.
Im Gegensatz dazu verwendet die PC-Welt nur echte Termini, wobei die Zahl der verwendeten Anglizismen ansteigt. Die Diktion ist hier wesentlich präziser, für den Laien aber kaum noch verständlich. Die einfache Frage eines Lesers, wie eine Soundkarte unter Linux zu installieren sei, wird unter Benutzung der Akronyme IRQ und DMA sowie dem Fachbegriff Port-Adresse beantwortet. Keiner der genannten Termini wird erklärt. Für den Fragenden ist diese Antwort nutzlos; würde er die Bedeutung der Termini kennen, würde er nicht eine derart einfache Frage stellen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß alle in der PC-Welt verwendeten Anglizismen ihre Daseinsberechtigung haben, da es sich ausschließlich um echte Fachbegriffe handelt und nicht um solche, die aufgrund der aktuellen Mode gegenüber deutschen Begriffen bevorzugt werden könnten. Die Redaktion bietet im Internet ein umfangreiches Lexikon der EDV-Termini zur kostenlosen Nutzung an. Eine gute Idee, da sich nahezu jeder Leser der PC-Welt einen Zugang zum Internet verschaffen können dürfte.
Man ist geneigt anzunehmen, daß nun in der c’t die größte Dichte von Termini in Form von Anglizismen anzutreffen sei – doch weit gefehlt! Wo auch immer möglich, verwendet die schon jetzt als Klassiker geltende c’t deutsche Fachbegriffe, sofern diese etabliert sind. Anglizismen scheinen dabei eher ein selten nötiges, häufig vermeidbares Übel zu sein und im Gegensatz zur PC-Welt nur dann eingesetzt zu werden, wenn sie unvermeidbar und nicht einfach sachlich korrekt sind. Mit diesem seriöser wirkenden Schreibstil nähert sich die c’t bewußt der Fachliteratur an. Weniger geläufige Anglizismen werden durch Anführungszeichen kenntlichgemacht und Fremdwörter eingedeutscht geschrieben (dekodiert statt decodiert). Allerdings ist das Internet in der c’t auch nur ein Thema unter vielen, wodurch das Umgehen der Anglizismen leichter fällt. Daß selbst kleine Artikel immer über die Angabe des Verfassers verfügen, unterstreicht den professionellen Charakter. Apropos Verfasser: Nahezu jeder der über dreißig Autoren hat sich durch die Veröffentlichung von Fachliteratur einen Namen in der Szene gemacht.
Es wird deutlich, daß Fachzeitschriften, die die Basis des Unterrichtsmaterials darstellen können, bezüglich ihrer Eignung nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf deren sprachliche Ausgestaltung hin genau geprüft werden müssen. Ich denke, daß keine der genannten Zeitschriften ohne weiteres unverändert als Lehrbuchersatz taugt; davon abgesehen, daß ihnen jeder didaktische Ansatz fehlt. Der Lehrer muß die gebotenen Informationen "mixen": Eine Kombination aus der Sprache der c’t in Verbindung mit den jeweils angemessenen Inhalten anderer Zeitschriften – durch sinnvolle, didaktisch aufbereitete Aufgabenstellungen – könnte eine gute Grundlage liefern.
Auch im Deutschunterricht der Sekundarstufe I ist es möglich, die Computerzeitschriften unter einem ganz anderen Gesichtspunkt einzubringen. Dort lassen sich durch deren Vergleich Analysen bezüglich unterschiedlichen Stilzüge, Absichten des Schreibers, der Allgemeinverständlichkeit und Art der Zielgruppe anstellen, obwohl doch alle diese Zeitschriften dieselbe Fachsprache einsetzen; nur eben auf verschiedenste Art. Der sinnvolle, gewissenhafte, aber bewußte Gebrauch von Anglizismen in der Funktion von EDV-Termini ohne deutsche Entsprechung zeigt den Schülern, wo und wie die englischen Fremdwörter mit dem Ziel eingesetzt werden können, um die Textverständlichkeit zu verbessern.
Vergleichbare Probleme schaffen die Büro-Anwendungen bezüglich der Lehrmittel nicht. Eine Vielzahl von zum Teil didaktisch hervorragend aufgebauter Fachliteratur ist in allen Schwierigkeitsgraden erhältlich. Die Anglizismen haben hier zudem keinen derart massiven Zutritt erhalten. Unter allen Anwendungen des Computers werden die Textverarbeitungen mit der größten Sorgfalt an das Deutsche adaptiert, da sie in der Praxis problemlos von Nicht-Computerfachleuten beherrscht werden sollen. Die Fachsprachen um das Erstellen von Texten und Kalkulationen bedienen sich bereits vorhandener Fachsprachen; und gerade die Fachsprache der Textsetzer kennt kaum Anglizismen, die der Buchhaltung einige ältere italienische Lehnwörter. Daran wird auch die aktuelle Vorliebe für Anglizismen nichts ändern.